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BA-Überwachung von Hartz-IV-Empfängern: Datenkrake Jobcenter

“Das ist vollkommen unverhältnismäßig”: Grüne und Linke haben die Pläne der Bundesagentur für Arbeit zur Überwachung von Hartz-IV-Empfängern im Internet scharf kritisiert. Die Ausspähung könnte mehr als sechs Millionen Menschen betreffen.

Hamburg – Die Bundesagentur für Arbeit hat eine neue Debatte um die Überwachung von Hartz-IV-Empfängern ausgelöst. Die Mammut-Behörde plant, Bezieher von Arbeitslosengeld II künftig strenger im Internet zu kontrollieren, um Einkünfte aus dem Online-Handel aufzuspüren und möglichen Leistungsmissbrauch zu entdecken.

 

Doch kaum sind die Pläne in der Öffentlichkeit, sorgen sie für große Empörung und Unverständnis. Als “vollkommen unverhältnismäßig” bezeichnet sie Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. “Sie stellen Arbeitslose unter generellen Betrugsverdacht und machen die Jobcenter zur Datenkrake”, sagte Pothmer SPIEGEL ONLINE. Auch Linken-Politikerin Sabine Zimmermann ist der Meinung: “Die Bundesagentur für Arbeit darf keine Internetschnüffelei betreiben.”

Die BA hatte vor wenigen Wochen im Rahmen der Beratungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe beim Bundesarbeitsministerium eine Liste mit Reformvorschlägen für den Hartz-IV-Bereich eingereicht, darunter versteckt unter Punkt 95 die “Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Erhebung von Daten im Internet”. Sprich: der Ausspähung von Ebay-Konten und anderen E-Commerce-Plattformen. Zudem strebt die BA an, den Datenabgleich mit anderen Behörden auszuweiten – etwa mit dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), das bereits jetzt dazu Daten erhebt. So sollen künftig auch Infos von Hartz-IV-Beziehern über deren Vermögensanlagen bei Versicherungen sowie Daten der Grundbuchämter an die Jobcenter übermittelt werden.

Außerdem sollen nicht mehr nur Informationen des Hartz-IV-Empfängers selbst, sondern auch die “sämtlicher Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft” bei anderen Sozialbehörden und Einrichtungen abgerufen werden dürfen – also theoretisch von mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland.

DGB: Besser Zuverdienstregeln lockern

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat massive Bedenken. “Für uns ist zentral, dass der Datenschutz gewahrt wird und klare gesetzliche Grenzen gezogen werden”, sagt Wilhelm Adamy aus dem DGB-Bundesvorstand und zugleich Verwaltungsratsmitglied bei der Bundesagentur für Arbeit. Der Experte hält es für sinnvoller, die Zuverdienstregeln von Hartz-IV-Empfängern zu lockern, statt die Kontrollen zu verschärfen. “Das Problem ist generell, dass sich Hartz-IV-Empfänger bei der Angabe von Einkünften komplett ausziehen müssen”, sagt Adamy. “Das wird von vielen als entwürdigend empfunden. Zugleich dürfen sie aber viel zu wenig von ihren Einkünften behalten.”

Der DGB-Fachmann spricht damit ein umstrittenes System an, nach dem Bedürftige bislang die ersten 100 Euro ihres Einkommens komplett behalten dürfen, darüber hinaus aber werden die Einkünfte größtenteils auf den Hartz-IV-Bezug angerechnet. Kritiker fürchten jedoch, dass das zu Missbrauch führt oder Arbeit dadurch von vornherein unattraktiv ist.

Auch Linken-Politikerin Zimmermann hält die strengere Überwachung für Unsinn. “Statt mehr Energie aufzuwenden, um Hartz IV-Empfänger auszuspionieren, muss es mehr Anstrengungen geben, die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Darauf sollten sich Politik und BA konzentrieren, statt wieder einmal bei Hartz IV eine Missbrauchsdebatte anzuzetteln”, sagte sie SPIEGEL ONLINE.

BA verspricht sich Rückforderungen von zehn Millionen Euro

Die BA aber verteidigt sich: “Es geht nicht darum, Hartz-IV-Empfänger unter Generalverdacht zu stellen, sondern die wenigen schwarzen Schafe im Interesse der Versicherten zu ermitteln”, sagte eine Sprecherin. Die Behörde erhoffe sich durch die Ausweitung der Überwachung – vorsichtig geschätzt – Rückforderungen in Höhe von zehn Millionen Euro, sagte sie weiter.

Ob die BA mit ihren Plänen überhaupt durchkommt, ist ungewiss. Derzeit liegt die Liste mit den 124 Reformvorschlägen im Arbeitsministerium. Dort hieß es auf Anfrage, eine Kommentierung von einzelnen Vorschlägen, deren genaue Details auch noch geklärt werden müssten, wäre verfrüht. http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bundesagentur-fuer-arbeit-plaene-zur-internet-ueberwachung-a-933541.html

DATENSCHUTZVERSTOSS BEIM WEITERBEWILLIGUNGSANTRAG

Neuer ALG II-Weiterbewilligungsantrag verstößt gegen Bundesdatenschutzgesetz

15.10.2013

Zum Ende des Jahres werden wieder viele ALG II-Leistungsempfänger einen Weiterbewilligungsantrag stellen. Dafür hat Bundesagentur für Arbeit (BA) seit August 2013 ein neues Formular. Der Weiterbewilligungsantrag ist rechtlich gesehen ein vereinfachter Neuantrag, dem trägt das neue Formular Rechnung. Wurde im alten Formular nur nach Änderungen gefragt, so beziehen sich die meisten Fragen im neuen Formular nun auf die aktuellen Verhältnisse. So werden u.a. Angaben über aktuelle Einkommen und Unterkunftskosten gefordert, einschließlich der entsprechenden Anlagen und Nachweise.

Mit den meisten Nachweisforderung schießt die Bundesagentur für Arbeit (BA) aber weit über das Ziel hinaus und verstößt dabei eklatant gegen § 3a Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), teilweise auch gegen § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I, soweit das SGB II vorrangige Mitwirkungs- und Nachweispflichten bei Dritten regelt (§§ 57, 58, 60 und 61 SGB II), sowie gegen § 67a SGB X, soweit rechtliche Grundlagen für eine Datenerhebung fehlen.

Als Nachweise werden u.a. Verdienstabrechnungen, Kontoauszüge und Bewilligungsbescheide über andere Sozialleistungen gefordert – und zwar unabhängig davon, ob das Jobcenter diese Nachweise bereits hat oder nicht. Die einzige Ausnahme stellt dabei der Nachweis über die Unterkunftskosten dar, den muss man lt. Formular nur dann erbringen, wenn ihn das Jobcenter noch nicht hat. Diese Einschränkung trifft aber lt. § 3a BDSG i.V.m. § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB II auch für alle anderen Nachweisforderungen zu.

Alle Nachweisforderungen in diesem Formular stellen demnach einen Verstoß gegen § 3a Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dar, wenn die geforderten Nachweise dem Jobcenter schon vorliegen und trotzdem erneut erbracht werden sollen.

Bei Erwerbseinkommen wird u.a. gefordert, die Einkommensbescheinigung vom Arbeitgeber ausfüllen zu lassen, jedoch trifft hierbei den Arbeitgeber eine direkte eigene Auskunfts- und Mitwirkungspflicht (§§ 57 und 58 SGB II), womit den Antragsteller gar keine Mitwirkungspflicht trifft (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I). Einen Hinweis darauf sucht man im Formular jedoch vergeblich.

Die Forderung einer Meldebescheinigung für jede Person, die zurBedarfsgemeinschaft hinzugekommen ist, verstößt eklatant gegen § 67a SGB X, denn es gibt gar keine rechtliche Grundlage für eine Datenerhebung aus dem Melderegister. Das SGB II stellt auf den „gewöhnlichen Aufenthalt“ ab (§ 36 SGB II) und nicht auf den Aufenthalt lt. Melderegister. Zudem ist eine Meldebescheinigung derzeit nicht geeignet, den „gewöhnlichen Aufenthalt“ nachzuweisen, denn das aktuelle Melderecht gibt hier erheblichem Missbrauch Raum (vgl. Begründung zum Bundesmeldegesetz, Bt-Drs. 17/7746, S. 29).

Ob man hier bereits erbrachte Nachweise nochmal erbringt, oder stattdessen darauf hinweist, dass diese schon vorliegen, muss jedoch jeder selbst entscheiden. Bekanntermaßen halten sich viele Jobcenter nicht an geltendes Recht, so dass man damit rechnen muss, dass der Weiterbewilligungsantrag nicht bearbeitet oder gar abgelehnt wird, wenn die – zu Unrecht – doppelt geforderten Nachweise nicht erbracht werden. Update: Es hat sich in der Zwischenzeit etwas getan. Lesen Sie hier weiter. (fm) http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/datenschutzversto-beim-weiterbewilligungsantrag-90015846.php

ONLINE-ÜBERWACHUNG VON HARTZ IV-BEZIEHERN